GATS

Was ist das GATS?

GATS (General Agreement on Trade in Services) ist das Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen

GATS ist ein Rahmenwerk für die fortschreitende Liberalisierung aller Dienstleistungen. GATS ist ein wichtiger Bestandteil der Welthandels­organisation (WTO)

Seit wann gibt es das Abkommen ?

Nach mehr als acht Jahren zäher Verhandlungen trat das GATS 1995 mit der Gründung der WTO in Kraft. Alle Mitglie­der der WTO, derzeit 144 Staaten, sind auch Unterzeichner des GATS. Die Bundesrepublik gehört als EU-Mitglied der WTO an.

Für welche Bereiche gilt das GATS?

Fast sämtliche Dienstleistungen sind vom GATS erfasst: Banken und Versicherungen, Telekommunikation und Post, Abwasserreinigung und Müllentsorgung, Gesundheitswesen und Bildung, Kultur und Medien, Tourismus und Transport. Mehr als 150 Sektoren sollen für den Weltmarkt geöffnet werden, darunter auch sämtliche öffentlichen, am Gemeinwohl orientierten Dienste.

Nach welchen Prinzipien funktioniert das GATS?

1. Das Prinzip des unbeschränkten Marktzugangs:

Wollte eine Kommune die Kontrolle über seine Klärwerke behalten und daher die Höhe privater Beteiligungen an den städtischen Unternehmen auf unter 50% begrenzen, wäre dies ein Verstoß gegen das Prinzip des Marktzugangs.

2. Das Prinzip der Meistbegünstigung:

Die WTO-Mitglieder dürfen Anbieter verschiedener Länder nicht ungleich behandeln. Das Meistbe- günstigungsprinzip verlangt z.B., dass Baufirmen aller WTO-Staaten zu öffentlichen Ausschreibungen zugelassen werden müssen, selbst wenn diese Firmen gegen Gewerkschaftsrechte verstoßen.

3. Das Prinzip der Inländerbehandlung:

In- und ausländische Anbieter sollen die gleichen Wettbewerbschancen genießen. Das Inländerbehandlungs- prinzip unterscheidet nicht, ob es sich um gemeinnützige Unternehmen oder profitmaximierende Firmen handelt. Wettbewerbsgleichheit im Bildungswesen hieße z.B., dass private Elite-Hochschulen den gleichen Rechtsanspruch auf staatliche Subventionen hätten wie öffentliche Universitäten.

4.Wie wirkt sich GATS aufdie öffentlichen Dienste aus?

Mit öffentlichen Diensten gewährt der Staat allen Bürgerinnen den gleichberechtigten Zugang zu unverzichtbaren Leistungen der Daseinsvorsorge, unabhängig von ihren finanziellen Möglichkeiten. Das GATS setzt aber gerade die öffentlichen Dienste unter scharfen Wettbewerbsdruck. Denn sobald sie in Konkurrenz zu privaten Anbietern erbracht werden, findet das Abkommen Anwendung. Staatliche Unterstützungsmaßnahmen (Steuervergünstigungen, Subventionen usw.) müssen nun in gleichem Maße profitorientierten Privatanbietern gewährt werden. In Folge der verschärften Konkurrenz um die verknappten staatlichen Gelder schrumpfen die für den öffentlichen Sektor verbleibenden Mittel immer weiter.

5.Warum gefährdet das GATS die Demokratie?

Anders als Güter werden Dienstleistungen nicht durch klassische Handelshemmnisse (vor allem Zölle) geschützt, sondern vor allem durch innerstaatliche Gesetze, seien dies Umweltnormen, Sozialstandards, Gesundheits- oder Verbraucherschutz. Das GATS aber unterwirft alle diese Regeln einem „Notwendigkeitstest". Sie sollen nur noch dannerlaubt sein, wenn sie den Handelsinteressen kommerzieller Anbieter nicht im Wege stehen. Damit werden Bürgerinnen dauerhaft daran gehindert, Politik auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene nach ihren Bedürfnissen zu gestalten.

6.Können GATS-Verpflichtungen zurückgenommen werden?

Das GATS ist eine Einbahnstraße. Einmal eingegangene Verpflichtungen können nur zu einem sehr hohen Preis zurückgenommen werden, ein Preis, der vor allem für Entwicklungsländer unbezahlbar sein dürfte. Will ein Land eine GATS-Verpflichtung kündigen, muss es mit anderen WTO-Mitgliedern Verhandlungen über Entschädigungen aufnehmen. Scheitern diese Verhandlungen, kann das Land

vor dem WTO-Schiedsgericht verklagt werden. Verliert es das Verfahren, drohen sehr empfindliche Handelssanktionen.

7.Wer gewinnt durch das GATS?

Der Dienstleistungsbereich ist von hoher ökonomischer Bedeutung. Bereits jetzt trägt er mit 60% zum globalen Bruttosozialprodukt bei. Die Weltbank schätzt den weltweiten Markt für Wasserversorgung auf 800 Milliarden US$, den für Bildung auf 2 Billionen US$ und den für Gesundheitsdienstleistungen auf 3,5 Billionen US$. Noch sind diese Bereiche weitgehend öffentlich organisiert und am Gemein­wohl ausgerichtet. Transnationale Konzerne und andere Unternehmen jedoch erhoffen sich von weiteren GATS-Liberalisierungen gewaltige Profite auf diesen Märkten.

8.Wer verliert durch das GATS?

Erfahrungen in aller Welt zeigen, dass die gesamte Bevölkerung von der Liberalisierung öffentlicher Dienste betroffen ist. Immer wieder kommt es zu steigenden Wasserpreisen und sinkender Versorgungsqualität, zu Leistungskürzungen bei der Gesundheitsversorgung, zur Einführung von Schulgeldern und Studiengebühren. Auch die Dienstleistungsbeschäftigten, mehrheitlich Frauen, zahlen ihren Tribut durch verlängerte Arbeitszeiten, sinkende Löhne und die Zunahme prekärer Beschäftigungsverhältnisse. Zu den großen Verlierern gehören die Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern, denn die von den Industrieländern geforderten drastischen Marktöffnungen gefährden den Zugang der armen Bevölkerung zu Grundgütern des Lebens.

9.Weshalb gerade jetzt Widerstand gegen das GATS?

Viele WTO-Mitglieder haben bisher nur geringe GATS-Verpflichtungen übernommen. Daher wurde Anfang 2000 eine Neuverhandlung des GATS begonnen, die sich in die neue umfassende Welthandelsrunde der WTO einbettet. Nach dem Zeitplan der GATS-Verhandlungen übermitteln die WTO-Mitgliederbis zum 30. Juni 2002 ihre Marktöffnungsforderungen gegenüber anderen Staaten und bis zum 31. März 2003 ihre eigenen Marktöffnungs­angebote.

Diese Forderungen und Angebote bilden die Grundlage für die nachfolgenden Verhandlungen. Die EU-Kommission in Brüssel führt die GATS-Verhandlungen im Auftrag der EU-Mitgliedsstaaten, auf deutscher Seite ist das Bundeswirtschaftsministerium verantwortlich. Der Abschluss soll mit dem geplanten Ende der neuen Welthandelsrunde am 1.1.2005 zusammenfallen.

Was fordert ATTAC?

Sofortiger STOPP der GATS-Verhandlungen; unabhängige Untersuchungen der Liberalisierungsfolgen;

öffentliche Diskussion der Untersuchungsergebnisse mit allen Betroffenen;

innerstaatliche Regulierungen auf der nationalen, regionalen und kommunalen Ebene dürfen nicht durch die WTO zu ungerechtfertigten Handelshemmnissen erklärt werden;

vorrang von Maßnahmen zum Umwelt- und Gesund­heitsschutz gegenüber den Handelsregeln; demokratische Gestaltung der Lebens- und Arbeits­verhältnisse;

jede Gemeinschaft muss frei darüber entscheiden können, wie sie ihre öffentlichen Dienste organisieren will;

Liberalisierungen müssen jederzeit wieder rückgängig gemacht werden können;

kein Druck auf Entwicklungsländer zur Öffnung ihrer Dienstleistungsmärkte; Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen für alle.

Literatur/Materialien zum GATS gibt es im Internet, und zwar hier:

www.gats-kritik.de, www.blue21.de, www.weedbonn.org

oder:

Attac Deutschland, Münchener Straße 48

60329 Frankfurt am Main, Tel. 069-900 281-0

www.attac.de                                       Mehr Infos

 

Attac? Wer oder was ist das nun wieder?

 Attac – eine Bewegung im Aufbruch und mit Zukunft

Attac - die französische Abkürzung für “Vereinigung zur Besteuerung von Finanztransaktionen (Tobin-Steuer) im Interesse der BürgerInnen” – wurde 1998 in Frankreich gegründet. Lag der ursprüngliche Fokus von Attac in dem Eintreten für eine demokratische Kontrolle der internationalen Finanzmärkte und der Einführung der Tobin-Steuer, so haben wir uns mittlerweile der gesamten Problematik neoliberaler Globalisierung angenommen. Komplexe Themen werden auf klare und vermittelbare Forderungen heruntergebrochen und gleichzeitig wird eine fundierte Analyse im Hintergrund geboten. Dabei konzentrieren wir uns in Form von Attac-Kampagnen auf die Durchsetzung unserer Kernforderungen

Seit den Protesten in Genua für eine soziale und ökologische Globalisierung ist die globalisierungskritische Bewegung in aller Munde. 200.000 Menschen sind für soziale und ökologische Gerechtigkeit im Globalisierungsprozess auf die Straßen gegangen. Ihr Protest richtete sich gegen die weltweit wachsende soziale Ungleichheit, gegen eine Globalisierung, die nur an mächtigen Wirtschaftsinteressen orientiert ist. Mit 90.000 Mitgliedern in 50 Ländern versteht sich Attac als Teil dieser globalen Bewegung. Auch in Deutschland bildet Attac ein breites gesellschaftliches Bündnis, das von ver.di und der GEW über den BUND und Pax Christi bis und anderen Gruppen unterstützt wird. Immer mehr Menschen unterschiedlicher politischer und weltanschaulicher Herkunft werden in den mittlerweile über 160 Attac-Gruppen vor Ort aktiv.

 

Neoliberale Globalisierung – viele Verlierer, wenige Gewinner

Das Versprechen, die Globalisierung bringe Wohlstand für alle, hat sich nicht erfüllt. Im Gegenteil: Die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer, sowohl innerhalb der Gesellschaften als auch zwischen Nord und Süd. Motor dieser Art von Globalisierung sind die internationalen Finanzmärkte. Banker und Finanzmanager setzen täglich Milliardenbeträge auf den Finanzmärkten um und nehmen über ihre Anlageentscheidungen immer mehr Einfluss auf die gesellschaftliche Entwicklung. Damit untergraben die Finanzmärkte die Demokratie.

Globalisierung ist kein Schicksal - eine andere Welt ist möglich

Demgegenüber tritt Attac für eine demokratische Kontrolle und Regulierung der internationalen Märkte für Kapital, Güter und Dienstleistungen ein. Wir sind davon überzeugt, dass die Wirtschaft den Menschen dienen muss und nicht umgekehrt. Politik muss sich an den Leitlinien von Gerechtigkeit, Demokratie und ökologisch verantwortbarer Entwicklung ausrichten. Nur so kann die durch die kapitalistische Wirtschaftsweise entstehende gesellschaftliche Ungleichheit ausgeglichen werden.

Attac will ein breites gesellschaftliches Bündnis als Gegenmacht zu den entfesselten Kräften der Märkte bilden. Dabei geht es nicht um ein Zurück zum vermeintlich idyllischen Zustand vergangener Jahrzehnte. Alternativen sind nötig und möglich. Die Behauptung, Globalisierung in ihrer jetzt herrschenden, neo- liberalen Form sei ein alternativloser Sachzwang, ist reine Ideologie. Wir setzen dem unsere Vorstellung von Globalisierung entgegen: internationale Solidarität von unten. Eine andere Welt ist möglich.

Attac aktiv - Was wir machen

Attac versteht sich als Bildungsbewegung mit Aktionscharakter und Expertise. Über Vorträge, Publikationen, Podiumsdikussionen und eine intensive Pressearbeit werden die komplexen Zusammenhänge der Globalisierungsthematik einer breiten Öffentlichkeit vermittelt und Alternativen zum neoliberalen Dogma aufgezeigt. Mit Aktionen soll der notwendige Druck auf Politik und Wirtschaft zur Umsetzung der Alternativen erzeugt werden. Ein wissenschaftliche Beirat wird in Zukunft die Arbeit von Attac inhaltlich begleiten. Attac setzt darauf, möglichst viele Menschen zu gewinnen und mit ihnen gemeinsam zu handeln.

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Das GATS setzt Entwicklungsländer unter Privatisierungsdruck

Systemwechsel in der weltweiten Wasserversorgung


von Danuta Sacher, Brot für die Welt

Für die Europäische Kommission ist die Ausdehnung des Marktzugangs für europäische Anbieter in der Trinkwasserversorgung eines der Hauptziele bei den laufenden GATS-Verhandlungen. In diesem Bereich haben die Europäer weltweit die Nase vorn, allen voran Vivendi und Suez aus Frankreich und RWE aus Deutschland. Die Wachstumsstrategien dieser Konzerne liegen der Kommissionso sehr am Herzen, dass sie die WTO-Definition von "Umweltdienstleistungen" kurzerhand um die Trinkwasserversorgung erweiterte. Im Ergebnis fordert die EU nun von 72 WTO-Mitgliedern die Liberalisierung ihrer Wasserversorgung.

Viele dieser Staaten hatten den Wasserbereich bisher ganz aus der WTO herausgehalten, so z.B. Kolumbien, Brasilien, Bangladesch oder die Dominikanische Republik. Fast gleichlautend fordert die EU von allen Marktzugang und Inländerbehandlung, d.h. völlige Gleichstellung mit inländischen Anbietern. Es ist unschwer vorstellbar, wie unter diesen Bedingungen der "faire" Wettbewerb zwischen den Wassergiganten Vivendi oder RWE und einem lokalen Unternehmen auf Barbados oder in Botswana ausginge. Die Maximalforderungen laufen auf einen weltweiten Systemwechsel in der Wasserversorgung hinaus, ein Bereich, der bisher zu über 80% in öffentlicher Hand liegt.

Dass die EU im Wasserbereich dieselben Forderungen an die USA wie an Belize stellt, entspricht zwar dem WTO-Prinzip der angeblichen Gleich­behandlung aller Mitglieder. Die europäische und deutsche Rhetorik von der besonderen "Entwicklungsfreundlichkeit"des GATS fällt jedoch in sich zusammen. Umso förderlicher ist der agressive EU-Katalog für die Konzerne: Der größte deutsche Global Player, RWE, rechnet mit einer weltweiten Umsatzsteigerung der Wasserkonzerne von 90 Milliarden Euro im Jahr 1999 auf 430 Milliarden Euro 2010. Das ist annähernd eine Verfünffachung, die ohne massive Liberalisierung des Wassersektors nicht machbar sein wird.

 Aber es geht nicht nur um Umsatz- und Renditesteigerungen. Es geht vor allem auch um den Investitionsschutz. Schon jetzt haben ca. 200 Großstädte im Süden unter dem Druck der Strukturanpassungsprogramme ihre Wasserversorgung liberalisiert. Von 40 Kreditprogrammen der Weltbank im Jahre 2000 waren zwölf an die Privati­sierung der Wasserversorgung gebunden! Es ist die "Kombi­nation von Weltbank auf der einen Seite und GATS auf der anderen Seite, die der armen Bevölkerung in den Entwick­lungsländern einen K.O.-Schlag verpassen kann", so Martin Khor vom Third World Network. Denn im Ergebnis werde die Wasserversorgung von ausländischen Unternehmen übernommen, die die Regierungen sehr viel schwerer kontrollieren können. Zwar räumt das GATS theoretisch das Recht zu nationalen Regulierungen ein, aber gerade diese Teile desAbkommens sind noch strittig. Wollte die Regierung einem Konzern nachträglich die kostengünstigere Wasserversorgung armer Bevölkerungsgruppen auferlegen, könnte sie vor der WTO-Schiedsstelle verklagt werden. Diese Instanz befindet dann, ob ein Verstoß gegen GATS-Verpflichtungen besteht. Verliert ein Land, drohen empfindliche" Handelssanktionen.

 Dies sind keine Denkspiele. Die bolivianische Stadt Cochabamba hat nach drastischen Preisstei­gerungen und den darauf folgen­den massiven Protesten vorzeitig den Privatisierungsvertrag mit dem US-amerikanischen Unter­nehmen Bechtel aufgekündigt und sieht sich nun einer Klage von 25 Mio. US$ gegenüber. Grund: die zukünftig entgange­nen Gewinne. Der französische Wasserkonzern Suez fuhr während der argentinischen Krise millionenfache Verluste ein und reichte ebenfalls eine Schadensersatzklage wegen entgangener Gewinne ein. In beiden Fällen waren die Unternehmen quasi detektivisch tätig, um ihre Ansprüche anzumelden. Das GATS verspricht in dieser Hin­sicht neue "Rechtssicherheit" - dies aber nur für die multina­tionalen Konzerne, nicht für die Entwicklungsländer.

Mehr Infos: hier

 

In den Kommunen wächst der Widerstand


"Stärkung der kommunalen Daseinsvorsorge"

von Jürgen Crummenerl, Attac-AK

 Wenn der neue GATS-Vertrag verabschiedet werden sollte, sind nach Schätzungen bereits 50% des kommunalen Eigentums privatisiert. Schon jetzt musste die Hälfte der 940 Mitgliedsunternehmen des Verbands Kommunaler Unternehmen (VKU) - zumeist Stadtwerke - private Investoren ins Boot holen.

Ohne sonderliche Kenntnis oder gar Protest seitens der Bürgerinnen ist ab den 90er Jahren die Privatisierungswelle über Städte und Gemeinden hinweg geschwappt. Investoren sicherten sich vor allem jene Teile, die profitabel erschienen. Nach der Übernahme von Stromversorgung und Telekommunikation durch Großkonzern verstärkt sich nun der Zugriff auf andere Bereiche der Daseinsvorsorge. Im öffent­lichen Nahverkehr öffneten sich unter Vorwegnahme einer noch nicht verabschiedeten EU- Wettbewerbsrichtlinie den Privaten die Tore. Seither werden Spartenwie der Bus-Betrieb ausge- gliedert und privat betrieben: Lohneinbu­ßen bis zu 30% sind die Folge.

Stadtwerke haben als kommunale Gesamtunternehmen für verschiedene Versorgungsbereiche die Möglichkeit im Querverbund defizitäre Bereiche wie den öffentlichen Nahverkehr zu subventionieren. Aufgrund ihres festen Kundenstamms und ihrer sicheren Marktanteile wecken sie jedoch die Begierde privaterInvestoren. Mit dem Verkauf vor allem der profitablen Teile wird aber dem Solidarprinzip die Basis genommen. Wer die verschiedenen Bereiche kommunaler Daseinsvorsorge beleuchtet, stellt ernüchtert fest, dass schon Vieles der öffentlichen Kontrolle entzogen ist. Dabei erfuhr auch die Korruption eine ungeahnte Blühte. Beispiel Müll: Überdimensionierte Verbrennungsanlagen veranlassten Kommunen in Nordrhein- Westfalen, Müll aus Neapel zu importieren, um die Anlagen auszulasten.

Begründet wird der Privatisierungswahn mit der Finanznot der Gemeinden. Soweit so schlecht. Denn dass die Kassen leer sind, kann niemand bestreiten.

Nur warum? Ein Grund: die Gewerbesteuer als Haupteinnahmequelle ist weggebrochen. Da die Konzerne auch dank der rot-grünen Steuerreform die Gewinne in den Kommunen mit Verlusten in anderen Bereichen verrechnen können (sog. Organschaft), senken sie ihre Steuerlast auf Null. So zahlen in München Groß­unternehmen wie Hypovereinsbank, Allianz, Münchner Rück, BMW, MAN, Siemens und Infineonkeine Gewerbesteuern mehr. Gleichzeitig wurde die an Land und Bund abzuführende Umlage von 20% auf 28 % erhöht.

In dieser Situation sollen die Kommunen zusätzlich immer mehr Lasten übernehmen, seien es die mit der Arbeitslosigkeit wachsenden Sozialausgaben oder neue gesetzliche Verpflichtungen zur Garantie von Kindergartenplätzen. Dabei kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass das finanzielle Ausbluten der Gemeinden für den Vorstoß der Konzerne äußerst nützlich ist.

Die jetzt diskutierte Gemeindefinanzreform musste die Kommunen als Ausgangspunkt stabiler Steuereinnahmen wählen: die Kommunen - unser Lebensraum! Denn Gestaltungsmöglichkeiten der Bürgerinnen sind nur dann gegeben, wenn Geld zum Gestalten da ist. Deshalb hat auch die gute Idee des "Bürgerhaus­haltes" – die Beteiligung Aller an den kommunalen Finanzplanungen nur dann Sinn, wenn die Einnahmen stimmen. Auchdürfen verschiedene soziale Projekte nicht gegeneinander ausgespielt oder gar Stimmung gegen "Ausländer", Flüchtlinge oder Obdachlose gemacht werden.Da nun endlich die Problematik erkannt wird, formiert sich langsam der Widerstand in den Kommunen. Bürgerbegehren
verhinderten in Düsseldorf und Münster den Verkauf der Stadtwerke. In Köln kamen 62.000
Unterschriften gegen den Verkauf kommunaler Wohnungen zusammen. In Kulmbach wurde ein geplantes "cross-border-lea-sing"-Geschäft zu Fall gebracht,in Recklinghausen und Bochum gibt es gegen diese undurchsichtigen Finanzgeschäfte ebenfalls Bürgerbegehren. Diese Form, demokratische Beteiligung zurückzuholen, bietet gute Möglichkeiten der Zusammenarbeit von Kirchen, Gewerkschaften, Parteien und Bürgerinitiativen und Attac. Vor allem können in den politischen Auseinander­setzungen die Hintergründe und Interessenlagen besser verdeutlicht werden. Damit steigt die Wachsamkeit und das Vordringen privater Profitinteressen zulasten der frei zugänglichen Daseinsvorsorge kann verhindert werden.

GATS: Stopptdas große Fressen!

 von Thomas Fritz, Attac

 Es ist angerichtet! Politikerin­nen aller Länder bitten zu Tisch. Auf dem Speiseplan stehen die Filetstücke der öffentlichen Daseinsvorsorge: Schulen und Universitäten, Renten- und Krankenkassen, Wasser- und Stromversorger. Häppchenweise werden sie den Konzernen zum Fraß vorgeworfen. Die letzten Hürden, die diesem großen Fressen im Wege stehen, müssen beseitigt werden. Als Rammbock dient das GATS, das Dienstleistungsabkommen der Welthandelsorganisation WTO. Dessen aktuelle Verhandlung findet unter strikter Geheimhaltung statt. Denn es winken gigantische Gewinne. Der Weltmarkt für Bildung wird auf 2 Billionen US$ geschätzt, für Gesundheit auf 3,5 Billionen. Kehrseite des privaten Profits ist das anschwellende Heer der Verliererinnen: Schüler und Eltern, Alte und Kranke, Beschäftigte und Erwerbslose. Ihnen allen wird der Zugang zu öffentlichen Leistungen zuneh­mend verwehrt.

Ende März unterbreiteten die WTO-Mitglieder erste Angebote,wo sie bereit sind, ihre Märkte zu öffnen. Entwürfe der EU-Kommission sickerten kürzlich durch. Demnach ist die EU nicht nur bei Verkehr und Post zu Zugeständnissen bereit, sondern sie wünscht auch eine neue GATS-Kategorie: Trinkwasserversorgung. Zwar gibt es hier noch kein Angebot, der zuständige EU-Kommissar Pascal Lamy signalisierte aber Verhandlungsbereitschaft. Auch in der Bundesrepublik herrscht Geheimdiplomatie, vor allem was die offensiven Forderungen angeht. Schließlich stehen deutsche Exportinteressen auf dem Spiel: Die Allianz will Ver­sicherungsmärkte erobern, RWE das Wassergeschäft, Bertelsmann die Medien und Siemens die Energieversorgung. Vor wenigen Wochen kamen dennoch die völlig maßlosen Forderungen der EU an die Adresse von 109 Staaten ans Licht, mehrheitlich Entwick­lungsländer. Angesichts dessen erweisen sich die entwicklungspolitischen Bekenntnisse der Bundesregierung als pure Rhetorik. Von 72 der 109 Staaten verlangt die EU den Ausverkauf der Wasserwerke. Die Energiever- sorgung hat sie ebenfalls im Visier. Egal, ob erneuerbar oder nicht, ob Windkraft oder Atom, jegliche Energieart muss zugelassen werden. Mehr noch, die krisenanfälligen Länder des Südens sollen auf die so wichtigen Kapitalverkehrskontrollen verzichten. Weitere Finanzkrisen werden die Folge sein. Aber: Bewegungen in Nord und Süd gehen zur Gegenwehr über. Sie setzen diesen Liberalisierungsorgien ihren Widerstand entgegen. Sie lassen sich nicht mehr mit den Brosamen vom Privatisierungs-Gelage der Reichen abspeisen.

GATS und Banken

Die GATS-Verhandlungen der 145 WTO-Mitgliedsländer beziehen sich auf Dienstleistungen aller Art. Neben klassischen öffentlichen Dienstleistungen Bildung und Gesundheit oder Energieversorgung und Müll, stehen auch private Dienstleistungen in den Sektoren Tourismus, Versicherungen und Banken auf der Agenda.

Im Rahmen der GATS-Verhandlungen versteht die EU-Kommission sich als Fürsprecherin der europäischen Dienstleistungskonzerne und hat in enger Abstimmung mit den Lobbyverbänden der europäischen Banken an die anderen WTO-Mitglieder Forderungskataloge gerichtet, die Ausgangspunkt der GATS-Verhandlungen für den Bankensektor werden sollen. Wie beim GATS üblich, sind alle diese Dokumente streng geheim, eine öffentliche Debatte hierüber ist ausdrücklich nicht erwünscht.

Erfreulicherweise hat attac für 29 Länder diese EU-Forderungen veröffentlichen können (cucwww.gatswatch.org/docs/EU%20requests), so dass erkennbar ist, an welchen Stellen europäische Banken die Entwicklungs- und Schwellenländer unter Liberalisierungsdruck setzen wollen.

Einige exemplarische Beispiele :

  • Die Philippinen sollen die Anzahl der Niederlassungen ausländischer Banken nicht begrenzen und Geschäfte ausländischer Banken in einheimischer Währung zulassen.
  • Pakistan darf Kredite an ausländische Firmen nicht begrenzen.
  • China darf nicht joint ventures mit mindestens 50% chinesischem Anteil zur Bedingung für Bankgeschäfte von Ausländern machen.
  • Uruguay soll zulassen, dass die Anzahl der ausländischen Bankniederlassungen um mehr als 10% pro Jahr steigt.
  • Indien soll ausländischen Banken erlauben, mit indischen Finanzderivaten auf eigene Rechnung zu handeln und Pensionsfonds zu managen.
  • Ägypten soll das Niederlassungsrecht ausländischer Banken nicht mehr von einem eigenen "ökonomischen Bedarf" des Landes abhängig machen.
  • Mexiko soll Bankgeschäfte nicht mehr auf diejenigen Gesellschaften begrenzen, in denen mexikanische Aktionäre einen bestimmenden Einfluss haben.

Dieses ist nur eine kleine Auswahl der von der EU aufs Korn genommenen "Handelshemmnisse" , die im Rahmen des GATS beseitigt werden sollen. Besonders umfangreich ist der Katalog für Malaysia . In 25 Punkten werden innenpolitische Regulierungen aufgeführt und mit der lapidaren Formulierung "To Be Removed" beantwortet. Der Hintergrund ist einfach: Malaysia hat die Ostasienkrise mit der Einführung von Kapital-verkehrskontrollen besser überstanden als seine Nachbarländer - gegen den heftigen Protest der internationalen Banken und des IWF. Und diese Kontrollen sollen im Rahmen des GATS jetzt beseitigt werden.

Die Quintessenz der einzelnen Forderungen lässt sich leicht zusammenfassen : Europäische Banken streben über das GATS ein allgemeines und von innenpolitischen Auflagen ungehindertes Niederlassungsrecht in allen 145 WTO-Mitgliedsländern an. Überall auf der Welt wollen sie Geschäfte auf eigene Rechnung betreiben dürfen und nicht auf nationale Regelungen oder Gesetze Rücksicht nehmen müssen.

Das scheinbar faire und demokratische GATS-Regelwerk hat dramatische Auswirkungen : Einigt sich die EU mit einem Land wie beispielsweise Indien auf eine Marktöffnung, wird dieses bei der WTO in Genf registriert und veröffentlicht. Über die Meistbegünstigungsklausel gelten die Abmachungen der EU mit Indien sofort und automatisch für alle 145 WTO-Mitgliedsländer gegenüber Indien. Zusätzlich sind über die Inländer/Ausländer-Regelung alle ausländischen Bewerber den inländischen in Indien gleichgestellt. Die indische Regierung verlöre auf Dauer das Recht, bei Aufträgen oder Erlaubnissen einheimische Banken zu bevorzugen.

Ausländische Bankniederlassung sind etwas anderes als Mc Donalds- Filialen:

Mit Bankgeschäften kann man massiv in die nationale Ökonomie eingreifen. Ausländische Banken können Ersparnisse aus einem Land abziehen, auch wenn diese im Land für die Entwicklung dringend benötigt werden. Kriselt die Währung, sind Banker die ersten, die die Flucht ergreifen, ihr Geld abziehen und die Krise verschärfen. Europäische Banken mögen know how für spekulative Geldgeschäften haben, mit den sehr effizienten Kleinstkredite an Existenzgründer in armen Ländern werden sie sich nicht befassen. Im übrigen werden ausländische Banken immer Geschäfte in Dollar oder Euro gegenüber einheimischen Währungen bevorzugen und damit das Währungsrisiko auf ihre Kunden abwälzen.

Ein Land, das ausländische Banken uneingeschränkt im Land arbeiten lässt, verliert nach kurzer Zeit die Kontrolle über die eigene Ökonomie. Einen "Feldversuch" mit offenen Devisen- und Kreditmärkten hat der Liberalisierungs-Musterknabe Argentinien in den letzten Jahren durchgeführt - das Land und die Menschen sind heute pleite.

Das nüchterne Abwägen von Vorteilen und Nachteilen eines weltweit liberalisierten Bankenmarktes ist nicht Sache der EU-Kommission und ihres Handelskommissars Lamy. Sie wissen, dass - wie fast überall im Welthandel - Europäer und Amerikaner zu den Gewinnern gehören werden. Kein Banker in Frankfurt muss nach einem Erfolg der GATS-Verhandlungen befürchten, dass Dritte-Welt-Banken den europäischen Markt überschwemmen und seinen Arbeitsplatz gefährden. Umgekehrt ist die Gefahr sehr real.

Europäische Banken müssen dann nicht mehr argumentieren , werben und für ein Land attraktive Konzepte zur Bewältigung des ökonomischen Aufbaus anbieten. Sie müssen nur noch auf das GATS verweisen und ihre Rechtsansprüche zulasten einheimischer Konkurrenten durchsetzen. Der Süden unseres Globus wird sich in einem weiteren zentralen Aspekt der nationalen Entwicklung fremdbestimmt und ausgenutzt fühlen - die Entfremdung zwischen den Kulturen und das Wohlstandsgefälle zwischen Nord und Süd werden zunehmen.

Entwicklungs- und Schwellenländer sind deshalb gut beraten, bei der Handelsliberalisierung dem massiven Druck zu widerstehen und sich die EU als Vorbild zu nehmen : Wer wie die EU im Agrarsektor auf dem Weltmarkt schlechte Karten hat, schottet sich eher ab und schützt die eigene Ökonomie. Öffnen sollte man sich nur dort, wo man in einer stärkeren Position ist - der Bankensektor gehört sicherlich nicht dazu.

Was bei den Banken offensichtlich ist, gilt generell für die meisten anderen Dienstleistungssektoren des GATS: Die WTO lebt in dem Irrglauben, starke und schwache Volkswirtschaften könnten auf dem Weltmarkt fair miteinander konkurrieren. In Wirklichkeit ist die ökonomische Dominanz des Nordens für die südlichen Länder erdrückend. Mit einer Öffnung des Bankenmarktes im Rahmen des GATS können sie nur verlieren.

Peter Andersen, Mitglied der attac-AG "WTO und Welthandel", PAndersen@web.de

Sebastian Schönhauer: Cross-Border-Leasing

Bund Naturschutz in Bayern

Sebastian Schönauer, 07.November 2002

Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - B U N D

Cross- Border- Leasing - Ausverkauf kommunalen Vermögens / Aushebelung der  Gemeindeordnung

 Zahlreiche Städte in Deutschland und Europa wollen einen „Reibach“ machen: Sie verleasen kommunale Klärwerke, Straßenbahnen, Messehallen oder Schulen für bis zu 100 Jahre an "US-Investoren" und leasen sie zurück. Dabei entstehen in den USA Steuervorteile, von denen die Städte einen Anteil als "Barwertvorteil" erhalten. Das „Konzept“, das dahintersteckt, nennt sich US- Lease oder Cross – Border- Geschäft (auf deutsch: grenzübergreifendes Geschäft ):

 Amerikanische Banken, Versicherungen und Industriekonzerne pachten von einer Stadt ein Gebäude. Dieses Objekt wird von Experten bewertet, anschließend wird ein Pachtzins festgelegt und von den Amerikanern sofort für die gesamte Laufzeit ( kann bis zu 100 Jahre umfassen ) ausgezahlt. Die Stadt mietet mit Vertragsbeginn das ganze Gebäude an.

Der Trick, der das Geschäft erst lukrativ macht:

Die Amerikanischen „Geschäftsleute“ nutzen eine Lücke im amerikanischen Steuerrecht. Im eigenen Land können sie ihre „Investitionen“ von der Steuer absetzen. Diese „Ersparnis“ teilen sie sich mit der deutschen Gemeinde.

 Es ist ein politischer Skandal erster Güte, wenn sogar die Oberbürgermeisterin von Frankfurt Frau Roth, zugleich Vizepräsidentin des Städtetages, diesen Trend zum Ausverkauf der Deutschen Kommunen noch unterstützt und dabei ausführt: „Niemand verkauft gern das eigene Rathaus an ausländische Investoren. Aber vielen Städten bleibt gar nichts anderes mehr übrig. Wie sollen sonst die Aufgaben im kulturellen oder sozialen Bereich finanziert werden?"

Auch in Bayern gibt es bereits eine Reihe von Städten, die sich mit diesen „windigen Geschäften“ auf Kosten der amerikanischen SteuerzahlerInnen leistungslose Profite verschaffen und dabei sind, ihre Kommunen in juristische und finanzielle Abenteuer zu stürzen. Die Rechtsaufsichtsbehörden schweigen bisher dazu.

 Wie in den zur Zeit in Bayern laufenden Betrugsprozessen um eine sog. „direkte Kreditgewährung“ zwischen (Bayerischen ) Kommunen, in denen mit sog. „direkten Finanzierungshilfen“ von „windigen“ Finanzjongleuren mit krimineller Energie Bayerische Städte und Gemeinden „abgezockt“ wurden und nun diese Kommunen für die fehlenden Millionen aufkommen müssen, werden wohl am Ende auch beim „Cross – Border – Betrug“ die SteuerzahlerInnen die Profite der internationalen Profiteure und  - eventuell sogar kriminellen - Finanzjongleure bezahlen müssen.

Die Frage drängt sich – angesichts der immer wieder entdeckten Schmiergeldzahlungen - auf, ob nicht bestimmte „Lobbyisten“, die diese „Deals“ – jenseits oder auch diesseits des Ozeans - eingefädelt haben, auch daran unrechtmäßig verdient haben. Ein Schelm, der bei solchen Millionen – Geschäften an Schmiergeld denkt!?

 Insbesondere Werner Rügemer hat in einer aufwendigen Recherche am Beispiel Köln und anderer Städte u.a. auch im Auftrag der dortigen PDS – Rats - Fraktion Erstaunliches gefunden:

„Kein Ratsmitglied hat je einen Leasingvertrag im Wortlaut gesehen. Die Investoren gibt es nicht. Es sind Briefkastenfirmen, die von Banken, auch deutschen Landesbanken, in den USA und auf den Cayman Islands gegründet werden.

Die Steuervorteile sind nach US-Recht nicht zulässig, fließen aber trotzdem. Die Städte lassen sich durch den Barwertvorteil ködern, der am ersten Tag des Vertrages ausgezahlt wird. Die langfristig enormen Risiken werden der Öffentlichkeit verheimlicht. Der Kommunal-Krimi gibt einen Einblick in tabuisierte Untiefen der globalisierten Finanzwelt.“

 Die Meldung über den „Deal“ in Köln lautete:

"Der Rat gab in seiner gestrigen Sitzung grünes Licht für eine grenzüberschreitende US-Leasing-Transaktion. Damit werden das Großklärwerk Stammheim, die Klärwerke Langel, Weiden und Rodenkirchen sowie Teile des Kanalnetzes zu einem Wert von 1,3 Milliarden DM an einen US-Investor vermietet und von der Stadt gleich wieder zurückgemietet. Der Vertrag läuft 24 Jahre. Der Steuervorteil, der dabei in den USA entsteht, wird unter den Leasingpartnern aufgeteilt. Auf die Stadt entfallen etwa 54 Millionen als sogenannter Barwertvorteil. Er soll ausschließlich zum Vorteil der Gebührenzahler verwendet werden."

Dass diese „Transaktionen“ nicht nur rechtlich umstritten, sondern sogar unrechtmäßig oder „illegal“ sein könnten oder sind, ist in den „Ruhr Nachrichten“  vom 15. 10. 2002 bereits beschrieben worden, wo es unter anderem heißt:
“USA-Behörden sehen in solchen Verträgen missbräuchliche Rechtsvorgänge, da sich solche "Geschäftsvorgänge" ohne den Steuervorteil nicht rechneten sondern Profit auf Kosten der USA-Steuerbehörde erschlichen würde. Bei solchen Verträgen würden "Glückwünsche, Unterschriften und Millionenbeträge ausgetauscht, an den Abwasserkanälen ändere sich hingegen nichts."
Während die Verfechter dieser Leasingform keine Gefahr für die deutschen Vertragspartner sehen, sei andererseits unter Präsident Clinton schon 1999 verfügt worden, dass aus "Scheingeschäften ohne ökonomische Substanz" kein Steuervorteil erwachsen dürfe.“ ( as )

Soll Cross – border – leasing nun „legalisiert“ werden?

Das sog. „Cross- Border- Leasing“ wurde aber nicht nur bereits von einigen Kommunen in Deutschland betrieben und als neues „Finanzierungssystem“ für Kommunen gegenüber den BürgerInnen dargestellt, sondern wurde von den Grünen im Landtag NRW als innovatives Finanzierungsmodell für Kommunen bezeichnet (wie in einer Einladung für ein „Fachgespräch“ am 14. November 2002 im Landtag ausgeführt war). Damit wird auch auf parlamentarischer Ebene eine verhängnisvolle Irreführung betrieben.

Mit dem Begriff „Finanzierungsmodell“ wird nämlich suggeriert, dass sich mit dem Cross- Border- Leasing eine Möglichkeit anbietet, den Kommunen aus ihrer ( strukturellen ) Finanzierungsmisere herauszuhelfen. Doch es handelt sich bei den Beträgen, die die Kommunen erhalten, um einen einmaligen Geldzufluss.

Das heißt: Das Cross- Border- Leasing bietet keinen Ausweg aus der strukturellen Finanzmisere, die nur durch bundespolitische Maßnahmen zu lösen ist. Doch genau die überfällige Diskussion dieser bundespolitischen Maßnahmen wird auf Grund des Cross- Border- Leasing hinausgezögert.

Gleichzeitig wird durch diese und andere Äußerungen der Eindruck erweckt, dass, diese „Geschäfte“ eine korrekte Finanzierung unserer Gemeindehaushalte darstellten. Es wird durch die Äußerungen der Kommunen auch verdeckt, dass in Wirklichkeit keine Verpachtung sondern eine Eigentumsübertragung an den Investor stattfindet oder dass als Ergebnis der Verträge das Eigentum übergehen wird.

Zusammengefasst heißt dies:

  • Nach den Vorstellungen der obersten amerikanischen Finanzbehörde darf der Steuervorteil nur in Anspruch genommen werden, wenn eine echte Eigentumsübertragung vorliegt.
  • Zu  der Behauptung, es handele sich beim Cross- Border- Leasing nur um eine finanzielle Transaktion ohne sonstige rechtliche Konsequenzen, steht im unauflösbaren Widerspruch , dass für die Auflistung der Bedingungen  in den Verträgen bis zu über tausend Seiten benötigt werden.
  • In den Verträgen wird den Investoren eine starke Rechtsposition mit Ansprüchen auf Schadensersatz für den Fall eingeräumt, dass die Gemeinden Bedingungen des Vertrages, die in großer Zahl aufgelistet sind, nicht einhalten.
  •  Mit den Verträgen wird der Gerichtsstand New- York anerkannt.
  • Die Problematik, dass das Cross- Border- Leasing u.U. mit der Gemeindeordnung nicht vereinbar ist, wird ausgeblendet.
  • Dazu gehört die Frage, ob die Verträge nicht nach privatwirtschaftlichen Gesichtspunkten in einer Weise gestaltet sind, die die Funktion der Gemeinde als Träger der Daseinsvorsorge aushebelt und die u. U. –zumindest teilweise - von der Gemeindeordnung verboten ist. ( Die GO lässt nämlich nach unserer Meinung eine Veräußerung oder eine veräußerungsgleiche Behandlung von Vermögenswerten, die der Sicherung der Versorgung der BürgerInnen dienen, nicht zu.) 

 Bemerkung:

 Indem die Räte solche Verträge unterschreiben ohne dass von irgendeiner Seite protestiert wird, zerstören sie für den Erhalt der Demokratie entscheidende Verfassungsstrukturen. Es handelt sich dabei  um einen weiteren Meilenstein auf dem Weg zur völligen Auflösung unseres demokratischen Rechtsstaates. Auch im kommunalen Bereich fanden solche Verstöße gegen die Gemeindeordnung schon vor langer Zeit statt und zwar u. a. mit der Privatisierung der Abfallentsorgung und die Errichtung und den Betrieb der MVA `s durch Private.

 Mein Aufruf und Vorschlag an Kommunen, Fraktionen und Gruppen:

Es soll durch Prüfungen der dafür vorgesehenen Verfassungsorgane, notfalls auch durch Untersuchungsausschüsse des jeweiligen Landtages und / oder durch Prüfungsaufträge von Kommunen an die kommunalen Spitzenverbände – Gemeinde- und / oder Städtetag – geklärt werden, ob solche „Scheingeschäfte“ überhaupt mit den Gesetzen unseres Landes, Staates und / oder unserer Versfassung vereinbar sind.

 mit freundlichen Grüßen , Sebastian Schönauer

 KT Bayern, Landesvorsitzender
Bund Naturschutz in Bayern,
Stellv. Landesvorsitzender
AK Wasser im BUND Sprecher

Setzbornstraße 38
D - 63 860 Rothenbuch

Fon 06094 984 022
Fax 06094 984 023

 s.schoenauer@bund-naturschutz.de

Informationen über

http://www.aghafenlohrtal.de
http://www.ikt-bayern.de
http://www.bund-naturschutz.de

http://www.bund.net

 

Geschäfte mit LiLo (Spiegel 9/2003)

In großem Stil verleasen klamme Kommunen ihr Immobilienvermögenin die USA. Experten warnen vor den Risiken der Luftgeschäfte,Bürgerinitiativen befürchten einen Ausverkauf.

Die Zentrale des Widerstands ist zwei mal zwei Meter groß und duftet noch nach Zimtsternen und Glühwein. In einer Bäckerbude vom letzten Weihnachtsmarkt sammelt die rothaarige Attac-Aktivistin Martina Nehls-Sahabandu Unterschriften in der Bochumer Fußgängerzone.

Die meisten, die unterschreiben, entsprechen nicht der üblichen Klientel der Globalisierungsgegner: Rentner Horst Berning will nicht, "dass unser Bürgereigentum nach Amerika verscheuert wird". Die junge Mutter Katrin Hoch fürchtet, dass ihr Sohn "in 30 Jahren zur Kasse gebeten wird". Der grauhaarige Werner Rysi zweifelt grundsätzlich: "Die lügen doch alle." Kaum einer hier glaubt, das Geschäft sei harmlos, gegen das er mit seiner Unterschrift protestiert ­ und deshalb sollen die Bochumer Abwasserkanäle nicht amerikanisch werden.

Überall in Deutschland wächst der Volkszorn auf so genannte Cross-Border-Geschäfte, mit denen sich finanziell angeschlagene Kommunen kurzfristig Millionen in ihre leeren Kassen spülen wollen. Im bayerischen Kulmbach stoppte ein Bürgerbescheid den "unmoralischen" Plan, das Kanalnetz zu verleasen. Auch in Saarbrücken und Fürth mussten Lokalpolitiker nach Bürgerprotesten ihren Flirt mit der Weltfinanz zwangsweise beenden.

Rund 150 Straßenbahnen, Kliniken, Messehallen, Müllverbrennungsanlagen, Wasserwerke, Kongresszentren und Abwasserkanäle im geschätzten Wert von 36 Milliarden Euro haben deutsche Kommunen nach Angaben des nordrhein-westfälischen Innenministeriums bereits nach Übersee verleast. Den Reiz zeigt das Beispiel Bochum. Die Stadt verleast ihr Kanalnetz für 99 Jahre an einen US-Investor, der 500 Millionen Euro zahlt und einen eigenen Trust bildet. Gleichzeitig least die Stadt die Anlage für 30 Jahre und kauft am Ende dieser Laufzeit alle Rechte zurück. Sie zahlt dafür nur 480 Millionen Euro ­ macht also praktisch über Nacht einen Gewinn von 20 Millionen Euro.

Das amerikanische Steuerrecht macht diese gleichsam vom Himmel fallenden Haushaltsmillionen möglich. Der Trust hat die Möglichkeit, seine angebliche Investition steuermindernd abzuschreiben ­ und gibt einen Teil der Ersparnis, den so genannten Barwertvorteil, sofort an den deutschen Vertragspartner ab (siehe Grafik).

Es bedarf einer ganzen Heerschar spezialisierter Anwälte, Steuerberater, Wertgutachter, Bankberater und Vermittler, diese Kreislauf-Geschäfte nach dem Lease-in-Lease-out-Prinzip (LiLo) so zu arrangieren, dass nach deutschem Recht die Kommune wirtschaftlicher Eigentümer bleibt, es aus amerikanischer Sicht aber der US-Trust wird.

Die Vertragskonvolute, ausschließlich in englischer Sprache nach US-Recht abgefasst, füllen gut und gern 1700 Seiten. Die Bürgermeister, die samt ihren Beratern gelegentlich sogar mit der Concorde nach New York zur Unterschrift jetten, können mit dem Papierberg wegen "der übergroßen Fülle und Komplexität" kaum etwas anfangen, wie die an solchen Verträgen beteiligten Rechtsanwälte Frank Laudenklos und Claus Pegatzky freimütig einräumen.

Noch weniger erfahren die Stadträte, die solche Deals absegnen müssen. Ihnen wird in der Regel nur eine etwa 35-seitige Transaktionsbeschreibung mit den Grundzügen des Vertrags vorgelegt. Die Einsicht in den Originalvertrag wird ihnen in der Regel verwehrt.

So kennen die Entscheider meist weder die genauen Konditionen noch den Namen des Investors. "Das ist irre", klagt der Krefelder FDP-Bundestagsabgeordnete Otto Fricke, "da legen Sie als Ratsherr die Hand drauf und sagen: Wird schon stimmen." Und der Wittenberger PDS-Stadtrat Horst Dübner, dessen Versuche scheiterten, den Vertrag zu bekommen, resigniert: "Als Kommunalpolitiker ist man da ohnmächtig."

Dabei ist das Misstrauen gegen die angeblich sicheren Deals durchaus angebracht. Schon vor drei Jahren warnten die Präsidenten der Landesrechnungshöfe vor einem leichtfertigen Abschluss solcher Verträge. Die Kommunen hätten "nur geringe Gestaltungs- und Verhandlungsspielräume" und müssten angesichts der von ihnen verlangten umfangreichen Gewährleistungszusagen "erhebliche Schadensersatzleistungen an die US-Seite" gewärtigen. Experten schätzen dieses finanzielle Risiko bis zum Vierfachen des Barwertvorteils.

So verpflichten sich die Kommunen in den Verträgen regelmäßig, die verleaste Anlage für die gesamte Rückmietzeit zu betreiben. Dabei könne doch niemand wissen, warnt Dirk Jansen, Geschäftsleiter der Umweltorganisation BUND in Nordrhein-Westfalen, "ob wir in 20, 30 Jahren etwa bei Müllverbrennungsanlagen überhaupt noch solche Kapazitäten brauchen". Und FDP-Politiker Fricke prophezeit: "Im Zweifel muss die Stadt Geld in ein überflüssiges System stecken" ­ zu Lasten des Gebührenzahlers.

Zudem garantieren die Kommunen, die Anlage auf dem Stand der Technik zu halten und darüber dem Trust akribisch Bericht zu erstatten. Gibt es dabei Differenzen, wird ein eventueller Rechtsstreit, so sehen es die Verträge vor, von einem New Yorker Gericht entschieden.

Doch das größte Risiko bergen die amerikanischen Steuergesetze. Die US-Steuerbehörde IRS hat wiederholt angekündigt, "missbräuchliche Steuerschlupflöcher" stopfen zu wollen. Auch die LiLo-Geschäfte stehen seit vier Jahren auf ihrer schwarzen Liste: Ihnen fehle die ökonomische Substanz.

Sicherheitshalber haben die Berater die Verträge seitdem leicht modifiziert ­ sie heißen jetzt euphemistisch "Lease-to-Service-Contract", und die Abschreibungen werden über einen längeren Zeitraum geltend gemacht.

Allerdings könnte auch mit dieser Variante schneller Schluss sein, als es die deutsch-amerikanischen Finanztrickser erwarten. Nach den Skandalen um den Energieversorger Enron und die Telekommunikationsfirma Sprint sei die politische Großwetterlage "günstig für schärfere Gesetze gegen Steuerschlupflöcher", sagt der Washingtoner Steuerrechtsexperte Stefan Tucker. "Zurzeit werden mehrere dieser Vorschläge im Kongress debattiert."

Ein Vorschlag aus dem Januar sieht vor, dass Kanzleien und Berater, die windige Steuersparmodelle empfehlen, empfindlich bestraft werden können. Das Gesetz wäre ein Schlag gegen das Cross-Border-Geschäft, schließlich sind es die großen Beratungsgesellschaften, die ihren Kunden solche Steuersparmodelle gezielt andienen.

Aber auch nach deutschem Recht ist das schnelle Geschäft etwas komplizierter, als es sich euphorische Stadtkämmerer ausmalen. So geben sie die US-Millionen für das Klärwerk etwa für Kindergärten und Schuldentilgung wieder aus ­ und handeln damit womöglich gegen die Haushaltsregeln.

Denn rechtlich ist unklar, ob das Geld nicht nur zur Gebührensenkung verwendet werden dürfte. So hat der Mieterverein Bochum bereits eine Klage angedroht, weil Stadtkämmerin Ottilie Scholz die 20 Millionen Euro Gewinn aus dem Kanal-Leasing schon fest in ihren Gesamthaushalt eingerechnet hat.

Die Rechtsexperten der Stadt Lübeck, die im vergangenen Jahr ein Cross-Border-Geschäft für die Hansestadt prüften, kamen sogar zu der Ansicht, die Millionen aus den Vereinigten Staaten müssten für die gesamte Vertragslaufzeit, also 25 Jahre lang, als Rücklage aufbewahrt werden. "Damit", so lästert ein Fachmann aus der Lübecker Verwaltung, "war das Interesse der Politiker an dieser Lösung schlagartig erloschen."

Kommt das Aus bei den Gesprächen nicht rechtzeitig, kann es mitunter teuer werden. Monatelang hatte die Stadt Aachen über die Verleasung ihrer Müllverbrennungsanlage verhandelt. Dann platzte der Deal im Sommer 2000. Zurück blieben Rechnungen von Arrangeuren und Beratern ­ insgesamt über 9,5 Millionen Euro.

Kein Wunder, dass in den Innen- und Finanzministerien der Länder das Unbehagen über die schnellen Luftgeschäfte wächst. Der Hamburger CDU-Finanzsenator Wolfgang Peiner hat ebenso "tiefe Bedenken" wie sein Kieler Innenministerkollege Klaus Buß (SPD).

Als erstes Bundesland will Bayern jetzt Cross-Border-Leasing endgültig verbieten. Ende Januar legte Innenminister Günther Beckstein (CSU) dem bayerischen Kabinett eine entsprechende Gesetzesnovelle vor. In der Öffentlichkeit entstehe "ein verheerendes Bild", schimpfte Beckstein, "wenn Kommunen auf Steuertricks hart an der Grenze der Legalität zurückgreifen".

Becksteins sächsischer Amtskollege Horst Rasch (CDU) bastelt an einer ähnlichen Richtlinie. Dabei galt der Freistaat im deutschen Osten bislang als bevorzugter Tummelplatz für die grenzüberschreitenden Finanzaktivitäten.

Die Kehrtwende erfolgte kurz vor Weihnachten, als eine sächsische Kommunalaufsicht erstmals ein solches Luftgeschäft untersagte. Aus dem Plan Leipzigs, nach Messe, Straßenbahnen und Kliniken nun auch die Wasserversorgung zu verleasen, wurde nichts. "Die langfristige Sicherung sozialverträglicher Wasserpreise", beschied Regierungspräsident Christian Steinbach in kühlem Bürokratendeutsch, habe Vorrang vor "kurzfristig erzielbaren Erträgen aus einer solchen Finanztransaktion".

Dabei sorgt sich die Behörde keineswegs nur um den Geldbeutel der Gebührenzahler. Die Kommunalaufsicht muss nämlich fürchten, selbst in Regress genommen zu werden. In diesem Sinne hatte im Dezember vergangenen Jahres der Bundesgerichtshof ­ von der Öffentlichkeit kaum bemerkt, von der Branche umso aufgeregter registriert ­ im Fall der ostsächsischen Gemeinde Oderwitz geurteilt. Der kleine Ort hatte 1992 mit dem Plazet des Landkreises eine Turnhalle durch einen Leasingdeal finanziert. Das Geschäft hatte sich aber als für die Gemeinde ungünstig und viel zu teuer herausgestellt.

Die Karlsruher Richter entschieden, dass der Kreis die dilettierenden Gemeindeväter vor sich selbst hätte schützen müssen. Jetzt wird der Kreis wohl die Leasingkosten übernehmen müssen: Der Vertrag ist nicht kündbar.

CORDULA MEYER, BARBARA SCHMID, ANDREAS WASSERMANN

Institut für Abwasserwirtschaft Halbach
ö.b.u.v. Sachverständiger für Abwasserbeseitigung
Uwe Halbach